Labradore gelten als familientauglich und kinderfreundlich. Das bedeutet sicherlich vor allem, dass sie nicht beissen, sondern nur knabbern und genau wissen, was der Unterschied zwischen beidem ist. Das bedeutet aber auch, dass sie Kinder lieben. Vor allem die kleine Lotte rannte begeistert auf Kinder zu. Nicht wirklich zur Freude aller Kinder. Und noch weniger zur Freude aller Eltern. Und also ganz bestimmt nicht zu meiner Freude. Was also tun? Die drastische Antwort der Hundetrainerin: Am besten von allen Kindern fernhalten. Und am besten auch allen fremden Kindern nicht erlauben, sie zu streicheln. Weil im Hundehirn nur einmal mehr bedeutet: «Manche Kinder sind sehr lieb zu mir, also laufe ich doch am besten auf alle zu, um herauszufinden, welche die lieben sind.» Und das bringt wieder nichts.

Am meisten brach es mir das Herz, in grosse Kinderaugen zu schauen, wenn ich die Frage hörte: «Darf ich ihn streicheln?» Und rigoros: «Besser nicht», zu sagen. Dabei waren das doch die netten Kinder, die sogar gefragt hatten. Ich bin dann dazu übergegangen, ihnen zu erklären, warum ich es für keine gute Idee halte. Aber ich habe mir eben auch immer überlegt, was ich sagen würde als Zwei- oder Dreijährige, wenn ein Hund auf mich zugerannt kommt, der ungefähr so gross ist wie ich und den ich nicht kenne. Bald dann war Lotte grösser als die Zwei- oder Dreijährigen – das machte die Sache nicht einfacher. Aber die ganz kleinen Frager seltener.

Mittlerweile läuft Lotte nicht mehr auf die Kinder zu. Und wir finden es jetzt auch lustig, wenn wir einer Kindergartengruppe begegnen, alle in orangen oder gelben Westchen, die grösseren Hand in Hand, die kleineren im Wagen oder an der Hand der Kindergärtnerin, manchmal sogar als Gruppe in grösseren Schiebewagen, alle gucken, Lotte, die Kinder. Aber sie lassen einander in Ruhe. 

Übrigens ist die Sache für mich doch wieder leichter geworden, weil Lotte immer wieder klargemacht hat, dass sie wirklich kein Streichelhund ist. Denn die meisten Hände, die über ihren Kopf gesegelt kommen, egal ob von Kindern oder von Erwachsenen, will sie anknabbern. Wer auf der Seite entlang direkt den Rücken ansteuert, hat bessere Karten, aber das tun die wenigsten. Und nun muss ich nicht mal mehr notlügen, wenn ich sage: «Sie wird nicht so gern gestreichelt. Sie will immer gleich knabbern.»