Geschrieben im März 2017

Klein ist die Lotte, und ziemlich tollpatschig. Man sieht sofort, dass sie ein Welpe ist. „Schau mal, der ist ja noch ganz klein!“, ist die häufigste Reaktion. Und dann die Fragen: „Ist das ein Labrador?“ „Wie alt ist er denn? Oder ist es eine sie?“ Viele Menschen lächeln, wenn sie sie sehen – ein seltenes Bild in der Grossstadt: Menschen, die einen anlächeln, einfach so. Manche beugen sich vor, sagen etwas wie „Du bist eine Schöne“ – und wollen die Kleine streicheln. Ob dem Leinenträger das gefällt oder nicht, spielt keine Rolle. Dass er im Zwiespalt ist, mit dem gerade erlernten Wissen, dass die Rasse eine „geringe Individualdistanz“ habe und deswegen lernen müsse, den eigenen Weg zu gehen, ohne links und rechts die Menschen zu begrüssen, an ihnen hochzuspringen, ihnen „Grüezi“ zu sagen, wie manche das nennen, das ist dieser Sorte Mensch egal. Andere sind höflicher, fragen, ob sie streicheln dürfen. Leicht ist es nicht, nein zu sagen. Weil diese Menschen doch höflich sind, weil der Hund augenscheinlich Spass daran hat, weil man selbst ja auch so gerne gestreichelt hat, früher, als man es noch nicht besser wusste oder noch nicht anders gelernt hatte. Aber man soll doch nicht, weil doch die Hundetrainerin gesagt hat…

Und dann gibt es die anderen Menschen. Viele von ihnen schauen nicht hin, sehen auch nichts, wenn sie schauen, oder einfach nichts, was sie interessiert. Ein junger, tollpatschiger Hund – na und? Die machen einem das Erziehen leichter, sie kümmern sich nicht, da braucht sich auch der Hund nicht zu kümmern. Dann gibt es die gläubigen Muslime, viele halten einen Hund für unrein, und wir versuchen, einen Bogen um sie zu machen, um ihnen Gewissensnöte zu ersparen. Auch eine Gruppe, die einem die Hunde-Erziehung leichtmacht.

Und dann gibt es noch die ganz kleine, aber auch ganz laute Gruppe. Die Hundehasser. Die angeblich am Triemli-Fussweg Gift ausgelegt haben, zwei kleine Hunde hätten furchtbar gelitten, sagt ein Computerausdruck, den jemand über dem Kotbeutel-Spender gehangen hat. Und dann gibt es die Frau aus dem zweiten Stock, die nach unten brüllt, sie wolle hier keine „Schiessi-Ecke“, das sei ein Spielplatz. Es ist kein Spielplatz, die Ecke ist deutlich erkennbar und abgetrennt ausserhalb des Spielplatzes, um den ich einen Bogen mache wie der Teufel um das Weihwasser. Und ich nehme alles auf, alles, rupfe sogar Blättchen aus, um letzte Spuren zu beseitigen. Es interessiert sie nicht. Auch nicht, dass ich schon soviel Plastik und soviel Müll – Kaffeebecher, Bierflaschen, Aludeckel, Getränkedosen, etc. etc. – weggetragen habe, weil es der Hund aufgehoben und darauf rumgekaut hat. Nein, es interessiert nicht, dass ich keinen Müll hinterlasse, sondern im Gegenteil sogar wegtrage.

Drei Tage später blafft mich eine Frau an, die mit ihrer Tochter über die Begrenzung des Spielplatzes schaut (eben…!) und mir dasselbe erzählt, in einem Tonfall, als hätte ich persönlich weiss-ich-nicht-was gemacht. Das wirft mich ziemlich aus der Bahn. Und noch viel mehr wirft mich aus der Bahn, dass ihre kaum achtjährige Tochter mich ebenso anblafft, in genau demselben Tonfall und mit genau denselben ausfallenden Worten.

Ich weiss, mein Hund und ich, wir müssen noch viel lernen. Aber diese Mutter hat mit ihrer Tochter auch noch eine gute Wegstrecke vor sich.