Kerstin Ekman: Hundeherz, Piper-Verlag 2012 (Originalausgabe von 1986), 168 Seiten

Als Lotte noch ganz klein war, fiel mir dieses Buch in die Hände. Ich las es völlig entspannt auf dem Hotelbett, als ich beruflich auf einem Literaturfestival war, und mich zwischendurch gerne von all dem Rummel erholen wollte. Kerstin Ekman, 1933 geboren, ist eine schwedische Autorin, sie hat viel geschrieben und viele Preise bekommen; doch ihre kleine Erzählung «Hundeherz» wurde erst 23 Jahre nach ihrem Erscheinen ins Deutsche übersetzt.

Ekman erzählt konsequent aus der Sicht eines kleinen Welpen, der beim Spielen im Hohen Norden seine Mutter verliert, die ihrem Zweibeiner hinterherrennt, weil sie glaubt, der ginge jagen. Der graue Welpe muss sich alleine durch die eisigen Nächte schlagen. Zu Beginn schafft er das nur, weil er ein Elchkadaver im Moor findet, da ist er gerade «vierundachtzig Morgengrauen alt», wie es in der schönen Übersetzung von Hedwig M. Binder heisst. «Denn keiner lebt lang von Hasenkötteln».

Berührend gelingt es Ekman, die Verwandlung des kleinen, verspielten Hundes in einen jungen Hund zu beschreiben, der lernt, unter widrigsten Umständen zu überleben. Der sich eine Höhle sucht, in der er schnell todmüde einschläft. Den nur die Tatsache, dass das Wasser stinkt und seinen Bauch schmerzhaft kühlt, davon abhält, sich hinzulegen und einfach nur zu schlafen. Er bleibt nur wenige Nächte in der Höhle, dann mal unterm Moos, mal unter herunterhängenden Fichtenästen, mal unter Steinhaufen. Er entwickelt ein gesundes Misstrauen, das ihm durch Gefahren hilft, weil er sie frühzeitig vermeidet. Die Erinnerung an die Mutter, die Geschwister, an Menschenstimmen wird dünner und dünner, sein Selbstbewusstsein wächst mit seinem Körper. Er wird zum Streuner, zum Wanderer, zum Wildtier.

Behutsam beschreibt Ekman das, entwickelt Szenen wie hingetupft, wie kleine, unvollendete Malereien, die der Leser selbst ergänzen kann, bis er wunderbare Gemälde vor sich sieht. «Hundeherz» ist an keiner Stelle kitschig, sondern durchdrungen vom tierliebenden, respektvollen, realistischen Blick eines Menschen, der sich selbstverständlich mit Tieren umgibt ohne sie zu vermenschlichen. Der sie einfach nimmt, als das, was sie sind: Tiere, mal fremd, dann wieder uns näher als jeder andere Mensch. Für mich: Eines der schönsten belletristischen Werke über Hunde.