Am Morgen ist von der Ermüdung fast nichts mehr zu spüren und wir ziehen nach einem feinen Frühstück frisch gestärkt davon. Der Weg mäandert links und rechts und auch mal auf der Strasse, die aber für den Autoverkehr gesperrt ist. Erst laufen wir noch durch den Wald, dann weichen die Bäume zurück, machen kargen Wiesen Platz, die schon von braunen Streifen durchzogen sind. Darüber mächtig die Steine der Berge. Eine tolle Strecke. Und kürzer, als ich sie in Erinnerung hatte – vielleicht zum Ausgleich für den Irrtum am vergangenen Tag. Oben die Überraschung: Ein gut gefüllt Parkplatz auf dem Pass, anscheinend kommt «man» hier vom Muotathal hinauf und nicht andersherum. Die Erklärung ist aber wohl einfach die, dass man eben von der Glarner Seite gar nicht kommen darf. So oder so: Oben steht eine kleine Kirche, die ein schönes Fotomotiv abgibt. Wir freuen uns unseres Lebens und gehen frohgemut an den Abstieg. Zunächst ist alles in Butter: Weite Wiesen wollen gequert werden, am Fluss entlang, durch den Wald, kaum Leute. Etwas bizarr ein Abenteuerhütte, das anscheinend als Basislager für Sportler dient. Jedenfalls ist es mit dem Bild eines forsch vorwärtsdrängenden Generals bestückt, den die Aufschrift als «Generalissimus Suworow» zweisprachig benennt; einmal mit kyrillischen Buchstaben! Verrückt. Der General ist hier einmal etwas kopflos herumgezogen, den einen Pass hinauf, den anderen wieder hinunter. Seine Soldaten haben gelitten und viele nicht überlebt. Aber dass man dafür in kyrillisch werben muss… 

Kopfschüttelnd ziehe ich weiter. Der Weg zieht am Bach entlang, macht eine scharfe Kurve, überquert den Bach und zieht auf der einen Talseite weiter, mitten über eine Alp. So der Plan. Aber plötzlich entdeckt Lotte ihre Angst vor Kühen und meint, mich vor den gefährlichen Tieren beschützen zu müssen. Jedenfalls bellt sie sie plötzlich an und lässt sich nicht beruhigen. Mir wird etwas bang, zumal die Kühe erstens ordentlich zahlreich sind, zweitens deutlich irritiert dreinschauen, um nicht zu sagen: erbost und drittens und vor allem ihre dicken Schädel von schön geschwungenen, sehr spitzen Hörner geziert werden. Sie stehen also vor uns, direkt auf dem Weg, aufgescheucht von Lottes Bellen. Ich weiss mir nicht zu helfen, ich drehe um. Und stelle fest, dass auf der anderen Seite des Baches auch eine Autostrasse ins Tal zieht. Aber klar: asphaltiert. Und natürlich nicht schön. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig: Ich lotse Lotte und mich über einen Korridor zwischen zwei Weiden zum Bauernhof hinauf und folge der Strasse ins Tal. Die ist zu allem Unglück auch noch sehr, sehr schmal. Zwischen Lotte und mir und den Autos bleibt nur wenig Platz. Ich muss ihr also zu allem Überfluss auch noch beibringen, die meiste Zeit bei-Fuss zu gehen. Statt herumlaufen auf Wiesen also Bei-Fuss-laufen auf Asphalt. Es wird für uns beide zur Tortur, für mich und meine Knie, für Lotte und ihre Pfoten. Wir kommen an, irgendwie, steigen in den erstbesten Bus, der zum Glück abfahrbereit dasteht. 

Zwei Tage später zeigt sich, dass sich mein Muskel im Unterschenkel entzündet hat. Drei Tage später hat Lotte Probleme mit einer Kralle und später mit dem ganzen linken Vorderbein. Wir müssen unbedingt lernen, ordentlich Kuhweiden zu queren. So etwas will ich nicht nochmal erleben, Lotte sicherlich auch nicht. Das hat auch der mystische Pragelpass nicht verdient, dass er uns in so verquerer Erinnerung bleiben wird. 

Route: Swissmobil No 29 Pragelpass, Etappe 3 und 2 oder No 55 Via Suworow, Etappe 8 und 7. Link hier