Lotte ist jetzt fast 2,5 Jahre alt. Aber wir haben noch nie einen Tropfen Blut gesehen, obwohl sie nicht sterilisiert ist, auch nicht kastriert. Ich habe immer gefunden, ich schaue mir mal an, wie sie sich so benimmt, wenn sie läufig ist, ob sie sehr drunter leidet oder wir oder die Teppiche, die besonders dem Gatten wichtig sind. Ich dachte auch, sie könnte ja vielleicht einmal Welpen bekommen. Und dafür wollte ich abwarten, wie ihre Läufigkeit verläuft. Aber eben: bisher verläuft sie gar nicht. Genauer: Sie verläuft kompliziert, unterbrochen, still. 

Der Reihe nach: Das erste Mal fing sie an, sich auffällig häufig zu schlecken, als sie fast 1,5 Jahre alt war, im April letzten Jahres. Das Schlecken fing an, die Rüden begannen, sich für sie zu interessieren – und dann hörte alles wieder auf. Kein Schwellen der Scheide, kein Blut. Kein wahnsinniges Rüden-Interesse. Kurz danach fing es wieder an mit dem Schlecken. Und hörte wieder auf. Ich also wie verrückt im Internet gelesen. Split-Östrus heisst es, wenn die Läufigkeit beginnt, aufhört und wieder anfängt. Stiller Östrus, wenn zwar ein Zyklus abläuft, aber man nichts davon mitbekommt. Üblich bei der ersten Läufigkeit, hiess es. 

Im Herbst, genau sechs Monate später, dann wieder. Diesmal Schlecken, ein bisschen Rüden-Interesse. Und wieder Schluss. Jetzt fand ich das schon merkwürdig. Aber das sei es nicht, beruhigt die Tierärztin. Komme alles vor. Und überhaupt: Demnächst seien viele Hündinnen läufig, da werde bestimmt auch Lotte… 

Ich lernte erstens: Hündinnen werden gerne gleichzeitig läufig. Ich verstehe zwar nicht recht, warum die Natur für solche Konkurrenz sorgt (um nur die besten durchkommen zu lassen?), liess mir aber sagen: In Frauen-WGs und – klassisch – in Frauenklöstern bekämen auch alle gleichzeitig ihre Regel. Nun gut. 

Es kam Anfang April, ich beäugte meine Lotte aufmerksam. Plötzlich begann sie, deutlich aggressiver zu werden; bellte ewig im Zug eine total nette Hündin an (ich nehme an, es war eine Hündin), bellte sogar über die Strasse. Und begann wieder, sich zu schlecken. Auffällig. Also gut, diesmal, dachte ich. Aber nach einer Woche – wieder Schluss. Ich liess sie noch an der Leine, dachte aber: Warum tust du das? Da ist doch nichts. Irgendwann liess ich sie wieder frei, testweise auch auf der Allmend. Mal folgte ihr ein Rüde reichlich länglich, beim nächsten Mal ein anderer. Das kennen wir aber auch schon aus nicht-läufigen-Zeiten. Und Lotte biss sie alle weg, liess keinen ran. Aber ich fand das merkwürdig. Und ging wieder zur Tierärztin. Sie hörte sich, ein wenig genervt, schien mir, meine Story an. Das käme vor, sagte sie. Und nahm einen Abstrich. Und siehe da: Lotte hatte einen Eisprung, durchläuft ganz normal ihren Zyklus. Aber man sieht nichts. Nein, sagte die Tierärztin, in solch einem Fall besser nicht kastrieren. Und ja, ich hätte recht, die Anzeichen – Schlecken, Aggressivität – würden passen. Und dann könne ich ja auch weiterhin genau aufpassen und ein Bespringen verhindern. Und sie sagte: Das käme auch vor bei rangniederen Hündinnen. Der – etwas schockierende, wie ich finde – Ausdruck schockte mich nicht mehr, weil ich ihm schon im Netz begegnet war. Und weil ich ja auch finde, dass sich Lotte etwas sehr auffällig bei wirklich beinahe jedem Hund, dem sie begegnet, auf den Rücken wirft. Das passt, fand auch die Tierärztin. Und sie sagte: Es könne sein, dass sie erst im Alter von vier Jahren «richtig» läufig werde. Es könne auch sein, dass es ihr ganzes Leben so weiter gehe. 

Ich staunte und dachte wieder einmal: In der Natur gibt es alles. Und ich war, ich muss es sagen, auch stolz, wie gut ich meine Lotte schon kenne und ihre Zeichen lesen kann. Denn die deutlichen Merkmale, die «richtig» läufige Hündinnen zeigen, die fehlen bei ihr ja nun. Und doch merke ich, wann es bei Lotte soweit ist und ich aufpassen muss.