Ich verstehe es ja nicht wirklich. Aber Lotte zieht immer wie verrückt, wenn sie merkt, dass wir uns der Praxis des Tierarztes nähern. Sie zieht hin zum Tierarzt, nicht weg davon. Und das, obwohl der wirklich auch schon mal «nicht nett» war zu ihr, einmal hat er sie betäuben müssen, um ihre eine Kralle zu operieren. Viele Male schon hat er sie gepiekst, mit Impfungen zum Beispiel. Einmal hat er wie verrückt an der rechten Pfote herumgedrückt und gezogen, weil sie immer mal wieder dreibeinig ging. Und Bindehautentzündungen hatte sie auch schon mehrfach, da hat er dann ins Auge geschaut; angenehm war das sicherlich auch nicht.
Ich bin sehr zufrieden mit der Tierarztpraxis, man bekommt schnell einen Termin, sie sind dort nett zu Lotte, und Lotte – eben – die liebt sie. Ich weiss nur nicht genau, ob der Tierarzt auch zufrieden ist mit mir. Letztens dachte ich mal, ich gehöre vielleicht zu den «Helikoptereltern», jedenfalls was den Hund betrifft. Ich merke langsam bei Lotte, aber auch bei mir und meinem Menschenarzt, dass es immer wieder Dinge gibt, deretwegen man nicht zum Arzt rennen muss, weil der Körper sich schon selbst hilft. Mein Körper hilft mir, und der von Lotte hilft ihr. Nur: Wenn es richtig weh tut, was dann? Mein Unterschenkel zum Beispiel, als der Muskel entzündet war. Oder Lottes Pfote eben, die sie so schmerzte, dass sie dreibeinig herumlief, woher soll ich dann wissen, ob es nun gerade etwas schlimm Akutes ist, um das sich ein Arzt kümmern sollte, oder ob es nur etwas ist, das ich «beobachten» sollte und weswegen ich in ein paar Wochen nochmal auftauchen soll. Falls überhaupt.
Ich finde das nicht leicht zu entscheiden. Für mich nicht. Aber für Lotte auch nicht. Kommt dazu, dass ich bei mir selbst genau weiss, was wie stark schmerzt. Bei Lotte habe ich keine Ahnung. Ich weiss nur, dass sie ziemlich hart im Nehmen ist, dass sie sich kurz schüttelt und auch dann ganz schnell weiter einem anderen Hund hinterherjagt, wenn sie gerade einen Baumstamm übersehen hat und dagegen geknallt ist. So sehr, dass ich an ihrer Stelle längst auf dem Boden gelegen und von Gehirnerschütterung fantasiert hätte. Aber sie rannte einfach weiter. Als sie übrigens letztens an der Pfote operiert wurde, da war sie wirklich leidend. Als wir ihr den Verband abmachten, wurde allerdings klar: Es war nicht die Pfote, die ihr weh tat. Es war der Verband, der sie schlicht am Herumrennen hinderte.