Geschrieben im Mai 2018

Stephanie Lang von Langen mit Shirley Michaela Seul: Entspannt mit Hund. Mit den fünf Grundbedürfnissen des Hundes zur Dog-Life-Balance, Piper-Verlag 2017, 215 Seiten

Unsere Gesellschaft des höher, schneller, weiter macht auch vor Hunden nicht Halt. Das jedenfalls hat Hundetherapeutin Stephanie Lang von Langen in ihrer Praxis festgestellt. Zunehmend kommen Vierbeiner zu ihr, für die Lang von Langens die Diagnose stellen muss: Dieser Hund ist überfordert. Er muss Agility machen und Mantrailing und Dummytraining, am Fahrrad rennen, stundenlang spazieren gehen und spielen, bis er vor Erschöpfung fast umfällt. Die Tiere bekommen Augenringe, und zwar nicht nur nach anstrengenden Wanderungen, sondern ständig. Die vielen Rassen eigene Veranlagung, es dem Herrchen wann immer möglich recht zu machen, bringt sie dazu, sich so zu verausgaben, bis sie nur noch mit Fehlverhalten zeigen können, wie ausgepowert sie sind: Sie werden aggressiv, überängstlich, unausgeglichen, fahrig.

In ihrem zweiten Buch «Entspannt mit Hund» versucht Stephanie Lang von Langen die sogenannte Dog-Life-Balance wiederherzustellen und behandelt hintereinander die fünf Grundbedürfnisse der Hunde: Ruhe/Schlaf, Bewegung, Beschäftigung, Spiel, Bindung/Beziehung.

Lang von Langen Vorgehen ist immer das gleiche: Sie schildert einen Fall aus ihrer Praxis – wenn sie nicht real sind, sind sie gut und anschaulich erfunden. Da ist etwa Lucky, der Golden Retriever, der nicht mehr lucky wirkt, sondern in seinem Stundenplan ersäuft. Der Galgo Jimmy, der nicht von der Leine darf. Der Labrador Luna, der per menschlicher und maschineller Ball-Wurfmaschine zum Balljunkie wird. Border Collie Sally, die ein simpler Knall beim Parcours-Laufen zum Angstbündel macht. Anhand dieser Beispiele kann Lang von Langen den Ausgleich erklären, den der Hund braucht: Genug Schlaf, aber keine Langeweile. Beschäftigung, aber klug, abwechslungsreich und nicht zu viel. Eine Mensch-Hund-Beziehung, die von Vertrauen und nicht von Unterwerfung gekennzeichnet ist.

Manchmal sind die Beispiele etwas ausufernd erzählt, aber da das Werk (auch mit Hilfe von Ghostwriterin Shirley Michaela Seul) locker und flüssig geschrieben ist, kann jeder beim Lesen etwas mitnehmen. Denn mal ehrlich: Der Weg zwischen Zuviel und Zuwenig ist manchmal schmal, und als Zweibeinerin kann man auch mal unsicher werden, wenn man all die Angebote sieht, die die Hundeschulen machen im Versuch, ihre Kurse vollzukriegen. Sicher, manche Kurse sind sinnvoll. Aber die Gefahr, zu viel zu machen, und den Hund nicht mal Hund sein zu lassen, ist real und wird – so meine Prognose – eher noch zunehmen.

Und siehe: Die Zweibeiner, die Lang von Langen überzeugen will, ihren Hund mehr in Ruhe zu lassen, sind hinterher superdankbar. Auch weil sie sich jetzt selbst weniger hetzen und stressen müssen. Denn klar: Die Überforderung resultiert ja fast immer aus dem Bedürfnis, dem Hund etwas bieten zu wollen. Und dem schlechten Gewissen, weil das eben doch nicht jeden Tag klappt. Ab und zu muss man ja auch mal das Geld verdienen, das der x-te Hundekurs kosten wird. Und ab und zu will man selbst einfach mal auf dem Sofa sitzen… Interessant in dem Zusammenhang der Hinweis, den Lang von Langen immer wiederholt: Wenn sie selbst keinen Spass haben an dem Kurs, den sie mit Hund besuchen, dann lassen sie es bleiben. Es gibt so viele Kurse, sie finden bestimmt etwas, das Zwei- und Vierbeinern gleichermassen gefällt.