Elena Passarello: Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte, Hanser Berlin 2018, 250 Seiten

In Elena Passarellos «Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte» geht es um Dürers Nashorn, den Wolf von Franziskus von Assisi, den Klugen Hans – ein Pferd, das rechnen kann – und die Spinne Arabella, die im Weltraum Netze spinnt. Passarello ist keine Biologin, hat als Schauspielerin gearbeitet und lehrt heute Schreiben an der Oregon State University. Man wird allerdings den Eindruck nicht los, dass sie nicht nur erzählen, sondern gescheit sein will, wichtig und bedeutsam. Ein reines Staunen über das, was sie sieht, ist zu billig, als sei die Wirklichkeit selbst zu billig und als müsse sie deshalb aufgemotzt werden. Passarello lässt die Schildkröte Harriet «Hach wie schick!» seufzen, wenn sie von Charles Darwin, den Harriet nur «Charlie» nennt, auf den Galapagosinseln gefunden wird. Passarello schaut in Mozarts Gehirn, um zu erfahren, inwiefern ihm der Starenvogel Stahrl beim Komponieren half. Sie kriecht in die Haut des Bären, der im Londoner Bärengarten von Hunden gejagt und gebissen und von Menschen ausgepeitscht wird, und beendet ihren Text mit dem Satz «Ich beneide ihn». Den Bären, wohlgemerkt.

Man kann so vorgehen machen. Schwierig wird es aber, wenn man modern sein will und dann die Tiere so vermenschlicht, wie es gestern schon nicht mehr Mode war. Dabei weiss es Passarello besser; sie zeigt selbst in einem Kapitel auf, welch grauenhafte Folgen es hatte, dass sich der Mensch in den Mittelpunkt gesetzt und sich die Tiere «untertan» gemacht hat. Passarello folgt darin John Bergers Zweischritt in dessen Essay «Warum sehen wir Tiere an». Bergers Schritt 1: Früher spielten Tiere im menschlichen Leben eine zentrale Rolle, Tiere und Menschen verstanden einander. Bergers Schritt 2: Heute seien Tiere nicht mehr Verbündete im Kampf ums Überleben; an die Stelle des echten, hautnahen Erlebens seien kommerzielle Bilder, Stoff- oder Bilderbuchtiere getreten, Haustiere oder Tiere im Zoo hinter Gitterstäben. Das beschreibt, finde ich, die Gegenwart recht gut: Wir haben keine Beziehung mehr zum Tier, schwanken zwischen Massentierhaltung auf der einen und übertriebener Vermenschlichung von Haustieren auf der anderen Seite. Passarello verlängert nun Bergers Zwei- zum Dreischritt: Sie sieht sich selbst, die nicht einmal mehr mit Bildern echter Tiere aufgewachsen sei, sondern mit Phantasietieren wie Micky Maus oder Plüsch-Dinosauriern. Erst spät versteht sie, dass sie im Zirkus nicht ein Einhorn bewundern durfte. Sondern eine Ziege, der man die beiden Hörner zu einem einzigen auf der Stirn umoperiert hat. Das Tier, das Passarello als Kind liebt, entstammte Frankensteins Labor, wurde für Marketingzwecke umgeformt.

Eine spannende Fortsetzung. Aber sie begeht doch selbst diesen monströsen dritten Schritt, wenn sie Tiere soweit vermenschlicht, dass sie zu wissen behauptet, was sie denken. Was also heute tun, könnte man sich fragen. Werke wie etwa Jürgen Teipels «Unsere unbekannte Familie» zeigen, dass es noch immer anders geht; er beweist, wie viel wir über Tiere noch lernen und erfahren können und müssen. Seine Geschichten zeigen nicht nur die Eigenheiten der Tiere, sie berühren auch unsere Sinne. Sein staunendes Schauen kann vielleicht unsere Beziehung zum Tier wieder auf eine für beiden Seiten akzeptable Basis stellen. Passarello gelingt es sicherlich nicht.